In ihrem autobiografischen Roman erzählt die als Kind aus ihrer Heimat vetriebene Zeitzeugin Marianne Schaefer die Geschichte eines kleinen Mädchens, das während der Wirren des Zweiten Weltkriegs in Pommern seinen Vater an der Front verliert und schließlich auf der Flucht von seinen Angehörigen getrennt wird. Was dann folgt ist eine berührende Leidensgeschichte voller Grauen und schrecklicher Erlebnisse.
Autorin: Marianne Schaefer
Formate: Taschenbuch
Seitenzahl: 100 Seiten
Verlag: Karina Verlag
Auflage: 1 (August 2016)
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3903161054
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Klappentext:
Am Rande einer größeren Stadt in Pommern gab es eine kleine Siedlung. Sie hieß Kreuzweg. Gebaut für die ärmsten der Armen und für kinderreiche Familien. Winzige Doppelhaushälften reihten sich hufeisenförmig aneinander, als könnten sie sich gegen den grimmigen Frost der Winternacht schützen, in der unsere Geschichte beginnt.
In einem dieser Häuschen ist gerade ein Mädchen zur Welt gekommen. Treten wir ans Fenster zu seinem Leben und schauen hinein …
Marianne Schaefer:
Marianne Schaefer wurde am 12.01.1938 in Landsberg/Warthe geboren. Nach der Vertreibung aus der Heimat verbrachte sie ihre Kindheit in Mittelfranken. Sie arbeitete als Glasbläserin, Keramikmalerin, Verwaltungsangestellte, und bis zum Ruhestand in einem Heim für geistig und körperlich behinderte Menschen.
Seit 25 Jahren wohnt sie in der Nähe von Lahr im Schwarzwald. Sie ist verheiratet, hat drei Kinder, neun Enkelkinder und sieben Urenkel. Seit Jahren schreibt sie Geschichten für Erwachsene und Märchen für Kinder, die in verschiedenen Anthologien veröffentlicht wurden.
Leseprobe aus dem Buch „Die Erzählungen vom Winterkind“:
Draußen war es bitterkalt. Ein eisiger Schneesturm fegte über ihnen hinweg und machte ihnen das Atmen schwer. Gegen Mittag sollte tatsächlich ein Zug von Ost nach West fahren. Agnes und ihre Kinder schlossen sich der fliehenden Masse an, die zum Bahnhof eilten. Als der Zug, nach langem Warten, endlich einfuhr, spielten sich dramatische Szenen ab. Verzweifelt drängten sich die Menschen auf dem Bahnsteig, um in einigen der wenigen Eisenbahnwaggons zu gelangen.
Agnes hielt ihre Kinder dicht an sich gepresst, um sie in der wogenden Menge nicht zu verlieren. Marie klammerte sich an die Hand ihrer Mutter, als sie plötzlich losgerissen und in die Höhe gehoben wurde. Hastig schob sie jemand durch ein offenes Abteilfenster in das Zuginnere. Die Türen waren von der drängenden Menschenmenge vollkommen versperrt. Auch andere Kinder waren auf diese Art und Weise im Zug gelandet. Wie die Heringe, aneinander gepresst, lagen sie in den Gängen auf dem kalten Boden und weinten. Als sich der Zug in Bewegung setzte, brach Panik aus. Die Mütter, deren Kinder im Zug gelandet waren, klammerten sich von außen an die Waggons, saßen auf den Puffern oder kletterten auf die Dächer des fahrenden Zuges, um nach wenigen Kilometern Fahrt, durch die Eiseskälte und heftigem Schneetreiben den Halt zu verlieren und mit blaugefrorenen Händen abzustürzen.
Agnes war es nicht gelungen, ein kleines Fleckchen für sich und die Kinder zu finden. Verzweifelt blieb sie zurück. Irre vor Angst um Marie gingen sie zurück auf die Siedlung. Die Kinder im Zug weinten still vor sich hin. Auch Marie konnte sich nicht beruhigen. Immer wieder huschten ihre Augen, auf der Suche nach dem vertrauten Gesicht ihrer Mutter, durch den Waggon, doch sie blickte nur in fremde Gesichter. Namen wurden von Abteil zu Abteil durchgegeben, flogen von Mund zu Mund. Mütter suchten ihre Kinder, Kinder fragten nach ihren Müttern. Maries Name wurde nicht erwähnt. Die Enttäuschung stand ihr im Gesicht geschrieben.
Da einige Gleise durch die Kampfhandlungen zerstört waren, wurde der Zug umgeleitet. Statt Richtung Westen zu fahren, fuhren sie, einen großen Bogen nach Osten, dem Feind entgegen. Bei den Erwachsenen hatte sich die Hoffnung auf baldige Sicherheit vor dem Feind ausgebreitet, als die dunkle Nacht sich plötzlich in gleißendes Tageslicht verwandelte. Tiefflieger waren am Himmel, wie aus dem Nichts aufgetaucht und feuerten aus allen Rohren. Tumult brach aus. Die Stärksten trampelten über die Schwächsten. Der Zug hielt auf offener Strecke und alles drängte nach draußen. Wie mit einer Woge wurde Marie mitgerissen. Geschosse flogen, Menschen schrien, Kinder weinten. Marie rannte in einen Graben, rollte sich wie ein Embryo zusammen, klapperte mit den Zähnen und erwartete den Tod.
Als der Spuk vorbei war, entfernte sie sich wie in Trance, übergab sich alle paar Meter, bis nur noch bittere Galle kam. Sie spürte ihre Füße kaum. Marie hatte vor Angst in ihre Trainingshose genässt. Die Hose was dadurch steif gefroren und scheuerte zwischen den Beinen. Schnee wirbelte durch die Luft, der eisige Wind riss an ihrem dünnen Mantel. Sie zitterte vor Kälte …
Rezension zum Buch:
Quelle: Rezension bei Amazon
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